Kaffee mit Zichorje!
Die eine der beiden Frauen ist schon sehr früh gekommen und
hat sich umständlich in dem Abteil breit gemacht. Die andere erscheint
wenige Minuten vor Abfahrt des Zuges und nimmt aufgeregt und erhitzt Platz.
"Gott, mein Vater! Nei, was muß einer sich abäschern!
- ei --- guten Tag, Tagche, Frau Clanßen! mein je, ich ha Se meist
nich erkannt; ich hab Se ja all so lang nich jesehn; wo haben Se denn gestochen?"
"Na, wo wer' ich jestochen haben? Bei meine Verwandtschaft inne
Stadt war ich, aber lang war es nich mal. Wissen Se, der Kusängonkel
von mein Stiefsohn war doch all lang krank -erst hätt er's aufe Brust
und dann mit de Nerven und zuletzt ne Gehirnentzindung - aber sonst war
er ja von Herzen jesund. Na, dem wollt ich ja auch jern noch mal sehen,
und nu jrad vor paar Tage is er jestorbe, vorjestern war das Begräbnis.
Ne scheene Leich! kann ich Ihne sagen, und ne Menschheit aufm Kirchhof
und ne Aufnahme - alles was recht is! Allebonnöhr! All zum Kaffee
--- echter Kaffee - kein Plurksch --- Porzeln und Striepeln und hernach
noch Klops und Salat und feines Käsebrot und Groch und Warmbier."-
"Und wo kommen Se heit her, wo doch kein Moarcht nich is?"
" I, --- ich war auch man zu 'nem Familienfest. Meine älteste
Großtochter hätt Hochzeit." "Was Se sagen! herrje, die is nu
auch all soweit. Ich sah ihr noch immer mit ihre kleine Schlorren iberm
Hof rennen hinter Ihre Keichel her - denn war se man noch en kleines Schoassel!
--- und nu is se Frau! Ei der Mann, wie is der?" "Gottchen, da wär
viel zu sagen; mich is das ja alles nich recht nach de Nas' --- aber was
kann ich dabei mache? --- De Lina - se heißt ja eigentlich Adelina
- is auch noch immer e bißchen schußelig --- na se hats von
keinem Fremden. Ihre Mutter, de Minna, is ja auch immer man dwatsch jewese
--- und erst de Tante Erna - die is ganz dammlich. Se wissen ja, ich war
damals garnich dafür, daß mein Sohn eine von de beiden Mädchens
heiraten sollt! wo doch die Brüder so richtge Kaluser sind. Aber junge
Leit kännen ja nich heeren. Und die Minna is ja nich blos dwatsch
- nei --auch so schlunzig und so plachandrich --- die ganze Wirtschaft
hat keine Art nich. Ich weiß nich, wie meinem Edard das passen kann,
er is doch von Hause aus anders gewehnt.
Und kochen kann si auch nich. Ich war acht Tag da, und was gab
es? Schälkartoffeln und Spirkel --- jeden zweiten Tag, und dazwischen
Kumst und Keilchen --- ne sone Keilchen! Steinhart sag ich Ihn.-
Und allens schmeckt nich nach ihm und nich nach ihr. Und de Stuben
--- nie nich orntlich aufjereimt, in alle Ecken liegt Prill rum; in de
Kich stehn die Tiegel und Kastrollen schmierig auf er Bank; wenn een Schleef
jebraucht wird, muß erst alles umjedreht wern. Die Ofenkrick is nich
hinterm Ofen - nei - bis auf de Lucht unter de Oken muß einer kraufen
und se suchen.
Und von Nähen kein Begriff: Das Netigste wird son bietchen
zusammengepruhnt und Stoppen und Stricken --- nich in de Hand! de Stricksteck
sind in einer ollen Sock festgerostet und das Klaun total verzoddert.-
Na ja, das is meine Schwiejertochter! aber an alle Straßenecken stehn
und prisseln und schabbern mit andere Fraun, das kann se."-
"Na ja, das is ja all ne alte Sache, daß Se an Ihre Schwiejertochter
keene Freid' nich haben - aber nu waren Se doch auf Linas Hochzeit ---
davon mächt ich doch jern noch etwas heeren."
"Na der Breitijam is soweit en ganz ansehnlicher Mensch - bißchen
enkelt is er ja wohl man, aber er hat en nettes kleines Anwesen da nach
Willenberg zu, und er soll ja wohl sonst janz orntlich sein.
Was soll ich Ihn von de Hochzeit sagen? Die Trau in de Kirch
war sehr feierlich de kleine Edeltraut, die jüngste Schwester, hat
aus ein kleines Schwingchen Blumen jestreit; es waren ja man Jilken und
Marjenblätter; aber es machte sich da sehr scheen. Und wie dann der
Predjer aus de Dräselkammer kam und de Orjel so scheen spielte, da
wurd mich doch so anders, daß ich meist beschwiemte, und Edard mußt
mich man halten, daß es keiner nich merkte.
Nachher zuhaus' gab es Schweinebraten und Beisatz: Christorbeeren
und Johannistrauben aus'm Garten und nachher Torten und sießen Schnaps
und Kaffee --aber mit Zichorje --- und da is mich all de Appetit verdorben."
"Na das war doch alles sehr scheen, was wolln Se mehr?"
Ja, das sagen Se! Aber mich jefiel das alles nich; da is es bei
mich zuhaus' ebent anders; ich habes auch nich so raum und mußt mich
mein Lebenlang abmarachen und nuscht wie raasen und wurachen; so war es
wie mein Mann lebte, und so is es jeblieben. Meine Kinder haben nicht Adeline
und Edeltraut jeheißen, aber se haben immer ganze Strümpf anjehabt,
keine handbreite Haarschleifen, aber ordentlich glatte Zepp."
"Das is nu so de neie Mod', Frau Jaegel, da muß einer sich
mit abfinden - herrje, wo sind wir eijentlich? All in Neiteich? Ich dacht
all, ich wär zu weitjefahren. Na adje! Helfen Se mich noch'n bißchen
mit de Luske ausm Zug. Scheendank auch! Auf Wiedersehn!"
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